Neuromotorische Entwicklung – Probleme und Lösung

Wie die Probleme entstehen

Die frühkindlichen Reflexe entstehen ab der 6. Schwangerschaftswoche. Danach sollten sie ca. zwischen dem 3. und 9. Lebensmonat verschwinden, d.h. gehemmt oder integriert werden. An ihre Stelle treten die Stell- und Haltungsreaktionen und reifen Reflexe. Dadurch entsteht die Grundlage einer fließenden und sicheren Beziehung zur Umwelt. Nach ihrer Zeit erhaltene frühkindlichen Reflexe stören viele Abläufe: die mühelose Steuerung der Motorik und die harmonische Zusammenarbeit von Wahrnehmung und Bewegung gelingen nicht.

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Lese-Rechtschreibprobleme

Bei vielen Betroffenen springen die Augen hin und her, wenn sie einer langsamen Bewegung folgen. Obwohl sie es nicht merken, werden dadurch unter Anderem das Lesen, das Schreiben und/oder das richtige Erfassen der Buchstabenfolge erschwert. Infolge dessen entstehen viele Probleme beim Lesen und Rechtschreiben. Zusammen mit Problemen der Wahrnehmungsverarbeitung und des Gleichgewichts, die in den nächsten Abschnitten beschrieben werden, können damit die Hintergründe einer Legasthenie entstehen.

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Ungeschicklichkeit, Aufmerksamkeitsdefizit und Rechenschwäche

Die Auswirkungen von Schwächen des Gleichgewichts sind noch viel schwerer: Denn ohne Gleichgewicht könnten wir uns weder aufrecht halten noch fortbewegen. Zweitens gibt es uns die Wahrnehmung, wo wir im Raum sind. Erst über diese Wahrnehmung können wir unterscheiden, wo sich alles andere im Raum befindet. Dadurch lernen wir Ordnung: was wohin gehört und in welcher Reihenfolge.

Dementsprechend gibt es zwei Arten von Folgen bei Schwächen des Gleichgewichts: Erstens können sie Probleme bei der Steuerung des Körpers und bei der räumlichen Orientierung auslösen. Dadurch entstehen Ungeschicklichkeit, häufiges Anstoßen und Unsicherheit. Auch wenn die Betroffenen motorisch begabt sind und diese Probleme erfolgreich kompensieren, treten oft andere Folgen ein. Dazu gehören Schwächen der Aufmerksamkeit, beim Wahrnehmen und Einhalten von Ordnung, bei der zeitlichen Einteilung, beim logischen Denken und Rechnen.

Ängstlichkeit, Impulsivität und Aggression

Der erwachsene Schreckreflex besteht aus einem Zusammenzucken gefolgt von einem Hinwenden zum Auslöser, beispielsweise ein Geräusch. Dadurch überprüft das Gehirn, ob Gefahr besteht. Nur dann, wenn das Gehirn den Auslöser als gefährlich einschätzt, entsteht die Kampf-Flucht Reaktion. Das heißt, wir haben einen eingebauten Filter. Dieser bewahrt uns davor, auf ungefährliche Dinge zu überreagieren.

Wenn aber der frühkindliche Angstreflex noch aktiv ist, fehlt der Filter: Denn dieser Reflex löst die Angstreaktion sofort und ohne Überprüfung aus. Deswegen leben die Betroffenen in einer anderen Welt als wir. In dieser Welt lauert überall Gefahr: jede Tür, die zu fällt, jeder plötzliche Ruf, jede unerwartete Bewegung kann die volle Angstreaktion auslösen. Da es 6 Stunden dauert, bis die Stresshormone aus dem Stoffwechsel beseitigt sind, haben diese Menschen einen durchgehend erhöhten Stresspegel.

Entsprechend ihres Temperaments zeigen sich die Betroffenen entweder eher ängstlich, anklammernd und verunsichert oder dominant, aufbrausend und impulsiv bis aggressiv. Sie reagieren unangemessen heftig auf unbedeutende Ereignisse oder Bemerkungen. Es muss genau nach ihrem Kopf gehen. Denn, ob sie nun versuchen, dies durch Verweigerung oder Kontrolle zu erreichen: im Grund geht es immer um die Angst, die darunter liegt. Daher können sie für diese scheinbare Sturheit in Wirklichkeit nichts dafür.

Aufgrund ihrer Empfindlichkeit werden sie häufiger gemobbt, als andere. Dazu erleiden sie leichter emotionales Trauma, als die meisten Menschen. Infolge all dieser fortwährenden Belastungen haben auch manche von ihnen Konzentrationsprobleme: Alles, was im Umfeld passiert, zieht ihre Aufmerksamkeit unwillkürlich an sich. Unbewusst verspüren sie überall Gefahr. Deshalb erscheinen sie von außen her unkonzentriert und leicht ablenkbar.

Auf der Suche nach der Lösung

Aufgrund all dieser Auswirkungen streben viele Methoden eine baldige Hemmung bzw. Kompensation der frühkindlichen Reflexe an.

Aber das ist nicht die optimale Lösung. Denn die frühkindlichen Reflexe dienen auch als Auslöser für Reifung in verschiedenen Bereichen des Gehirns. Wenn die Entwicklung nicht vollständig ist, werden sie sozusagen „absichtlich“ vom Gehirn behalten. Damit versucht es, „stecken gebliebene“ Reifungsprozesse wieder in Gang zu bringen.

Die Lösung

Der Kern besteht darin, dem Gehirn eine zweite Chance zu geben, ausgelassene oder nicht vollständig abgelaufene Entwicklungsschritte nachzuholen.

Wenn die Ausreifung nicht rechtzeitig erreicht ist, versucht der Organismus weiterhin, sie abzuwickeln. Denn es geht dabei um die grundsätzlichen Fähigkeiten, die er unbedingt braucht, um in der Welt zurecht zu kommen: Gleichgewicht, Selbstwahrnehmung, Orientierung, Wahrnehmung (hören, sehen usw.), Einschätzung von sozialen Ereignissen, Sprache, Selbststeuerung und vieles mehr. Entsprechend bezeichnet man Schwächen in diesen Bereichen als Teilleistungsstörungen.

Damit der Organismus seine Entwicklung zu Ende führen kann behält er sich die nötigen Auslöser. Deswegen kann man die frühkindlichen Reflexe bei vielen Kindern und Erwachsenen mit den oben beschriebenen Problemen nachweisen. Daraus folgt aber auch, dass es zielführend ist, sie nicht zu hemmen, sondern sie im Gegenteil zu verstärken. Dadurch wird die natürliche Tendenz zur Ausreifung gesteigert und zum Erfolg gebracht.

Deswegen besteht die eigentliche Förderung im täglichen Durchführen von Bewegungen, welche von vorgeburtlichen Zuständen und frühkindlichen Reflexen abgeleitet sind. Dadurch wird der natürliche, aber „stecken gebliebene“ Prozess der Ausreifung angeregt.

Wenn dieser erfolgreich abgeschlossen ist, werden die Auslöser nicht mehr gebraucht. Deswegen geschieht die Hemmung der frühkindlichen Reflexe dann meistens von alleine. Damit wird ein doppelter Effekt erzielt: nicht nur die vielen störenden Nebenwirkungen dieser Reflexe verschwinden. Auch die so wichtigen, aber unvollständig entwickelten Bereiche des Gehirns reifen aus.

Infolgedessen entsteht eine ausgewogenen Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit: das heißt, die Probleme, welche das Leben so schwer gemacht haben, lösen sich von selber auf.

Problemkatalog

All die unten angeführten Probleme können durch eine neuromotorische Entwicklungsverzögerung verursacht werden. Besonders wenn mehrere davon gleichzeitig auftreten sollte überprüft werden, ob eine solche vorliegt.


Schul-, Lern- und Leistungsprobleme

  • Leseschwäche / Legasthenie

  • Schlechte Schrift / Dysgraphie

  • Rechtschreibschwäche / Legasthenie (manchmal besonders beim Abschreiben)

  • Rechenschwäche / Dyskalkulie

  • Schlechtes Erinnerungsvermögen

  • Langsamkeit


Aufmerksamkeitsprobleme

  • Konzentrationsschwäche

  • Ablenkbarkeit

  • Mangelnde Ausdauer

  • „Träumerlein“, Abwesenheit

  • Schwierigkeiten, Ordnung einzuhalten oder zu erkennen

  • Schwierigkeiten, strukturiert zu arbeiten oder zu handeln

  • Schwäche der zeitlichen Planung oder Einteilung


Emotionale und soziale Anpassungsprobleme

  • Ängstlichkeit, Panikzustände oder andere Angstformen (z.B. Platzangst)

  • Schüchternheit

  • Mangelndes Selbstvertrauen

  • Häufige emotionale Ausbrüche (weinen, schreien, toben)

  • Aggressivität

  • Impulsivität

  • Überforderung in Gruppen oder bei Lärm oder Bewegung im Umfeld

  • Es allen recht machen

  • Übergenauigkeit

  • Aufgeben, wenn etwas nicht sofort gelingt


Körperliche und
motorische Probleme

  • Fein- und/oder grobmotorische Ungeschicklichkeit / Dyspraxie

  • Übermäßige oder ungenügende Muskelspannung (Hypotonie, Hypertonie)

  • Zappeligkeit, konstanter Bewegungsdrang

  • Häufiges anstoßen, stolpern, daneben greifen

  • Orientierungsschwierigkeiten

  • Reiseübelkeit

  • Allergien und Immunschwächen (bes. HNO)